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Physiologische Psychologie

Physiologische Psychologie

 

In unserem Labor versuchen wir menschliche sowie tierische Entscheidungsfindungsprozesse zugleich zu erforschen, weswegen wir bildtechnische, behaviorale und pharmakologische Techniken bei Mensch und Tier verwenden. Hier wollen wir kurz die Hauptparadigmen und Methoden vorstellen, welche wir in unserem Labor verwenden.

 

Quantifizierung des Entscheidungsfindungsverhaltens

Die Erforschung menschlicher Entscheidungsfindung hat eine lange Tradition in der Ökonomie, der Psychologie und, vor allem im letzten Jahrzehnt, dem interdisziplinären Feld der Neuroökonomie. Viele Studien untersuchen die Auswirkungen einer Veränderung in Umfang, Verzögerung, Gewissheit, Risiko und in sozialen Einflussfaktoren auf die Wahrnehmung des Wertes. Beispielsweise bevorzugen manche Menschen sofortige kleine Belohnungen gegenüber großen, aber verspäteten Belohnungen. Dieses Phänomen kann durch die Generierung einer sogenannten individuellen Diskontierungsfunktion quantifiziert werden – also eine Funktion, welche den subjektiven Wert in Anhängigkeit der Verzögerung, der Ungewissheit etc. darstellt. Diese Diskontierungsfunktionen dienen dann als Maß für Veränderungen in anderen experimentellen Bedingungen, z.B. bei Kontextmanipulationen.

Ferner werden Paradigmen aus der Spieltheorie benutzt. Bekannte Beispiele dafür sind das Prisoner’s Dilemma, das Ultimatum Game, das Dictator Game und das Trust Game. Im Ultimatum und Dictator Game wird z.B. ein Spieler mit einer bestimmten Geldmenge ausgestattet, welche er dann zwischen sich und einem anderen Spieler aufteilen muss. Je nach Variante kann der zweite Spieler das Angebot annehmen oder ablehnen. Diese Instrumente dienen zur Erforschung von Großzügigkeit, Fairness, sozialen Normen und strategischer Interaktion. Im Trust und Prisoner’s Dilemma hat das Verhalten von Spieler 2 Konsequenzen auf die Auszahlung von Spieler 1, da er sich dazu entscheiden kann, nicht zu kooperieren. Somit profitiert Spieler 2 - Spieler 1 hingegen verliert Ressourcen. Solche Experimente untersuchen das Vertrauen in den anderen Spieler und die Frage, ob und wann dieses Vertrauen missbraucht wird.

 

Abbildung des Entscheidungsprozesses

Die Neuroökonomie verbindet die Erforschung von Entscheidungen mit der Abbildung neuronaler Prozesse. Meist bedient sie sich hierbei der Vorteile der funktionellen Kernspintomographie (fMRT). So konnten in letzter Zeit viele Hirnareale bestimmt werden, welche eine Rolle für die ökonomische Entscheidungsfindung spielen. Beispielsweise sind orbitofrontaler Cortex und ventrales Striatum in die Berechnung von belohnungsbezogenen Vorhersagefehlern involviert. Solch ein Vorhersagefehler kann auftreten wenn z.B. eine plötzliche Änderung im Belohnungsumfang auftritt. Auch hiermit lassen sich natürlich verschiedene Populationen miteinander vergleichen: Unterschiedliche Altersgruppen, Patienten mit Kontollgruppen, Gruppen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen etc. …

 

Neuropsychopharmakologische Manupulationen

Es gibt viele Hinweise dafür, dass Neurotransmitter wie Dopamin und Serotonin in Entscheidungsfindungsprozesse involviert sind und dass die Menge dieser Stoffe im menschlichen Hirnorganismus einen Effekt auf das Verhalten in Entscheidungsfindungsaufgaben hat. Auch Neuromodulatoren sowie Oxytozin und Stresshormone haben einen Einfluss. So verhalten sich beispielsweise Menschen in einer akuten Stressreaktion impulsiver als Menschen, die nicht gestresst sind. 


Tierforschung

Die Einbindung von Tieren in die Hirnforschung ist bis heute eine unglaublich große Hilfe beim Verständnis von psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen. Tiere stellen ein Modell dar, welches veranschaulicht, was im Falle einer psychiatrischen Erkrankung im Gehirn vor sich geht. Verändertes Entscheidungsverhalten ist ebenso ein weit verbreitetes Symptom vieler psychiatrischer Erkrankungen, z.B. Zwangssyndromen, Suchterkrankungen und pathologischem Spielen. Diese Entscheidungsdefizite tragen oft zur Verschlechterung der Lebensqualität der Betroffenen bei. Präzise Tiermodelle dienen als Grundlage für das Verständnis von Ursprung, Diagnostik und Behandlung dieser Krankheiten. Vor allem Nager zeigen Verhaltensweisen, welche oftmals dem der Menschen ähneln. Wenn das tiefgehende Wissen über die Physiologie der Nager mit eingesetzt wird, können gute Modelle für verändertes Entscheidungsverhalten generiert werden.

Skinner Boxen sind ideal geeignete Apparate zur Erforschung des tierischen Verhaltens. Auch lassen sich damit Situationen erstellen, in welchen sich sogenannte intertemporal choices untersuchen lassen. Eine der bekanntesten Prozeduren nennt sich „delay of reward“ (siehe z. B. Cardinal et al. 2004). Hierbei werden 2 unterschiedliche Hebel benutzt, wobei jeder mit einer bestimmten Belohnungsgröße assoziiert ist. Die beiden Alternativen unterscheiden sich in der Größe und der Verzögerung der Belohnung. Die Zeit zwischen dem Betätigen des Hebels und der Belohnung variiert von Durchgang zu Durchgang. Die Daten werden dann benutzt, um sogenannte Indifferenzkurven zu berechnen: Wenn die Wartezeit dem Tier zu lang ist, wird sie sich für die sofortige kleine Belohnung entscheiden. Dieser Indifferenzpunkt bzw. Übergang erlaubt die Berechnung des Wertes, an welchem die verzögerte Belohnung „diskontiert“ bzw. subjektiv abgewertet wird. Anfänglich wurde für diesen Werteverfall eine exponentielle Funktion vorgeschlagen, jedoch sprechen heutige Befunde eher für eine hyperbolische Diskontierungsfunktion.

 

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